Bischöfliche Bildung im Mittelalter - Beispiele der RAG Datenbank

Was sind die Voraussetzungen dazu, im Mittelalter Bischof zu werden? Was musste man wissen und können, um dieses hohe Kirchenamt zu belegen? War ein Studium hilfreich oder gar notwendig? Und falls ja, lag ein Theologiestudium auf der Hand, oder konnte man auch als Jurist oder gar als Mediziner in einer klerikalen Karriere erfolgreich sein?

Diese und ähnliche Fragen zu den Ausbildungsverhältnissen späterer Bischöfe im Mittelalter lassen sich nicht leicht beantworten. Studien zu Einzelpersonen ausgenommen beschäftigen sich nur wenige Forschungsbeiträge mit diesen Fragen. Eine systematische Untersuchung dazu, welche Ausbildung spätere Bischöfe verfolgten, fehlt bislang gänzlich und auch in den zeitgenössischen Quellen finden sich dazu keine normativen Aussagen. Einzig für Kardinäle lassen sich historische Forderungen nach einem Studium als Mindestqualifikation belegen. Daher bleibt es schwierig, allgemeine Aussagen über ihre gängige Bildungswege machen. Dennoch wäre von Bischöfen als Trägern eines höheres (administrativen) Amtes in der klerikalen Struktur nicht zu erwarten, dass zumindest im späteren Mittelalter ein beträchtlicher Teil eine solide Grundbildung genoss oder gar eine Universität besucht hat? Weiter lässt sich spekulieren, dass in erster Linie Universitätskarrieren in der Theologischen, aber auch der Juristische Fakultät angestrebt wurden, da im Falle der Kardinäle kein qualitativer Unterschied zwischen theologischen und juristischen Abschlüssen gemacht worden zu sein scheint. Vermutungen, denen wir anhand der RAG-Datenbank nachgehen können.

Tatsächlich sind in der Datenbank 793 Bischöfe und Erzbischöfe verzeichnet, wobei nur 338 davon auch über einen akademischen Abschluss verfügten. Der Einfachheit halber werden wir Bischöfe, die zwar eine Universität besucht, aber - aus welchem Grund auch immer - keine Promotion erlangt haben, hier nicht berücksichtigen, auch wenn sie in der Datenbank verzeichnet sind.1

Die geographische Verortung der gelehrten Bischöfe zeigt eine breite Verteilung in ganz Europa - und darüber hinaus.2 Anhand der Datenbank des RAG können zwar keine Aussage über die Häufigkeit eines Studiums unter Bischöfen allgemein gemacht werden, die Karte zeigt dennoch, dass Bischöfe nicht nur in Einzelfällen einen Abschluss erlangt haben, sondern, dass dies überregional verbreitet war.

Auch die Wahl der Studienrichtungen unserer Bischöfe ist interessant. Ein Grossteil (66% bzw. 226 Personen) der 338 untersuchten Personen hat - wie von einem üblichen Studienverlauf zu erwarten - einen Abschluss an der Artisten Fakultät erlangt. Gleichzeitig haben über 70% (240 Personen) an mindestens einer der drei Höheren Fakultäten promoviert.

Bereits ein Blick auf die Visualisierung der Studienrichtungen zeigt, dass die Vermutung, spätere Bischöfe hätten in erster Linie Theologie studiert, nicht richtig war.
 

Unter den Höheren Fakultäten ist ein juristischer Abschluss mit Abstand der häufigste. Über die Hälfte der untersuchten Bischöfe waren Juristen (59% bzw. 202 Personen) und gerade mal 13% Theologen (44 Personen). Sogar fünf Mediziner haben es auf einen Bischofsstuhl geschafft, obwohl zwei davon zusätzlich noch juristische und einer noch eine theologische Promotion vorzuweisen hatten. Mehrfachabschlüsse gab es auch zwischen Theologen und Juristen, insgesamt acht Personen haben an beiden Höheren Fakultäten promoviert, wobei sechs gar in beiden Fachgebieten die Doktorwürde erlangen konnten.

So zeigen die Lebensläufe unserer gelehrten Bischöfe, dass es im gesamten mittelalterlichen Europa durchaus verbreitet war, Personen mit akademischem Abschluss auf Bischofsstühle zu berufen. Mehr noch, die überwiegende Mehrheit der studierten Bischöfe beliessen es nicht bei einer Artes Promotion, sondern erlangten Abschlüsse an einer - manche gar an mehreren - der Höheren Fakultäten. Interessanterweise sind ein Grossteil davon ihrer Ausbildung nach nicht Theologen, sondern Juristen. Erkenntnisse, die natürlich weitere Fragen aufwerfen. Aber um diese Fragen zu beantworten und ein umfassenden Einblick in die Bildungsverhältnisse von Bischöfen im Mittelalter allgemein zu erhalten, wären natürlich weitere Forschungsarbeiten nötig, die auch Personen und Informationen berücksichtigen, die bislang nicht in die RAG-Datenbank aufgenommen wurden.

Bibliographie

Schwinges, Rainer Christoph: Gelehrte Bischöfe im späten Mittelalter: Neue Autoritäten in der Reichskirche?, in: Seibert, Hubertus et al. (Hgs.): Autorität und Akzeptanz. Das Reich im Europa des 13. Jahrhunderts, Sigmaringen 2007.

Oediger, Friedrich Wilhelm: Über die Bildung der Geistlichen im späten Mittelalter ( Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 1), Leiden/Köln 1953, S. 46-57.

Miethke, Jürgen: Karrierechancen eines Theologiestudiums im späteren Mittelalter, in: Schwinges (Hg.), Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts, Berlin 1996, S. 180-210.


1. Aufgrund der Selektionskriterien des Projekts sind nur Personen, die über mindestens einen Mag. Art. Abschluss an einer Universität im Reich erlangten, oder solche, die nachweisbar aus einer Adelsfamilie stammen in der Datenbank verzeichnet. Bischöfe, die diesen Kriterien nicht genügen, wurden nicht systematisch aufgenommen, können aber trotzdem in der Datenbank verzeichnet sein, wenn sie in einem anderen Kontext in Kontakt zu einem Gelehrten standen, z.Bsp. als Dienstherr oder Auftraggeber.

2. Ein Bischofssitz ausserhalb Europas erscheint im ausgewählten Kartenausschnitt nicht. Michael Ramirez de Salamanca war 1530-1534 Bischof von Santiago de Cuba.

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